Er steht bei Punkt 4.3., gemeinsam unter einer Überschrift mit Kultur und Medien. Der Sport hat Einzug in den neuen schwarz-roten Koalitionsvertrag gefunden und er besetzt in dem 185 Seiten starken Papier, das die Richtlinien der Politik in den nächsten vier Jahren bestimmen soll, immerhin eine ganze Seite für sich – mehr als jemals zuvor. Eine erste Analyse.
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Die politischen Vorhaben in der Sportpolitik lesen sich gut – aber es mangelt an Konkretem. Und dennoch: auf den zweiten Blick überraschen sie in ihrem Ausmaß. Auffallend ist, dass die künftigen Regierungsparteien umstrittene Fragen des Sports anpacken wollen, die eigentlich originär in der Zuständigkeit der Verbände liegen. Neben den typischerweise “besetzten Feldern” Förderung, Ausbilldung und Integration wagt sich die Politik mit diesem Koalitionsvertrag entschlossener an die Themen Doping und Spielmanipulation, Fangewalt und Korruption im Sport. Damit verstärkt sich der Eindruck, als solle nach Anicht von Schwarz-Rot der Staat mehr mitreden im Sport.
Kompetenzen im Sport: erst die Verbände, dann der Staat
Im Zentrum der Spororganisation steht das Recht der Verbände, ihre Angelegenheiten selbst zu klären, die sog. Autonomie des Sports. Abgeleitet wird diese aus Art. 9 Abs. 1 GG, der Vereinigungsfreiheit. Daraus folgt, dass der Staat sich aus dem Sport heraushält, soweit dieser in der Lage ist, sich selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu organisieren. Nach diesem Grundsatz der Subsidiarität verbleiben dem Staat im Sport im wesentlichen die Aufgaben: Sportförderung, Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie Schutz erachtenswerter Rechtsgüter, soweit diese im oder durch den Sport gefährdet sind.
Subsidiarität adé?
Mit den getroffenen Vereinbarungen von CDU/CSU und SPD stellt sich nunmehr die Frage: Wird das Prinzip der Subsidarität des Staates im Sport jetzt aufgeweicht? Zumindest wenn man sich Mühe gibt, kann man in die Formulierungen des Koalitionsvertrags hineinlesen, dass hier der Druck auf die Verbände erhöht werden soll, sich bei bestimmten Selbstregulierungsangelegenheiten mehr zu engangieren. Sonst übernimmt Schwarz-Rot.
So heißt es z.B. zu Doping und Spielmanipulationen:
Deshalb werden wir weitergehende strafrechtliche Regelungen beim Kampf gegen Doping und Spielmanipulation schaffen. Dazu kommen auch Vorschriften zur uneingeschränkten Besitzstrafbarkeit von Dopingmitteln zum Zweck des Dopings im Sport sowie zum Schutz der Integrität des sportlichen Wettbewerbs in Betracht.
Auffällig ist jedoch, dass die Koalition wohl den Bestand der finanziell angeschlagenen Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) sichern will, die wiederum den verbandlichen Anti-Doping-Kampf vorantreiben soll. Ein Unterfangen, zu dem sich der DOSB bislang nicht in der Lage sah.
Die nachhaltige Finanzierung der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) stellen wir sicher.
Auch beim Thema Fangewalt schwingt der erhobene Zeigefinger in Richtung Verbände mit. Selbst wenn hier auf das Zusammenwirken von Staat und Verband hingewiesen wird, kann man im Subtext die Drohkulisse des vergangenen Dezembers herausfiltern. Damals hatten die Innenminister der Länder einen Forderungskatalog an Vereine und Verband aufgestellt. Hierzu heißt es im Vertrag:
Die Fankultur im Fußball soll in Deutschland erhalten bleiben. Gemeinsam mit Verbänden, Vereinen und den friedlichen Fans wollen wir dafür sorgen, dass Stadionbesuche sicher bleiben. Deshalb begrüßen und unterstützen wir alle präventiven Anstrengungen und werden alle gesetzlichen Rahmenbedingungen auf das Ziel ausrichten, Straftäter aus den Fußballstadien fernzuhalten.
Schließlich scheint der künftigen Regierung auch die wiederholte Schlappe im Hinblick auf die Bewerbung Münchens um die Olympischen Spiele nicht zu schmecken. Die in diesem Rahmen kristisierte Intransparenz bei der Vergabe von sportlichen Großveranstaltungen und die hohen Anforderungen der austragenden Verbände will man zukünftig auch mit staatlicher Politik begegenen – natürlich gemeinschaftlich:
Bei der Vergabe von internationalen Sportgroßveranstaltungen setzen wir uns in Kooperation mit dem autonomen Sport für faire und nachhaltige Standards ein.
Quo vadis Autonomie?
Die Politik bringt sich also in Position, wenngleich zu hören ist, dass es kein eigenständiges Sportministerium geben wird. Und auch die Aufnahme einer Staatszielbestimmung Sport ins Grundgesetz bereitet dieser Koalitionsvertrag nicht vor. Abzuwarten bleibt zudem, ob und wie die wenig konkreten Formulierungen mit sportpolitischem Leben gefüllt werden. Sollte die künftige Regierung jedoch ernst machen, bleibt eine Frage: Wie lässt sich das auf Dauer vereinbaren mit der in der Verfassung verankerten Autonomie des Sports (Art. 9 Abs. 1 GG). Hierzu nimmt der Koalitionsvertrag lediglich bei den eben genannten Großveranstaltungen und im Rahmen der Aussagen zum Doping Stellung, wo es heißt:
Eine gesetzliche Regelung darf weder die verfassungsrechtlich garantierte Autonomie des Sports unzulässig einschränken, noch die Funktionsfähigkeit der Sportgerichtsbarkeit beeinträchtigen.
Zur Erinnerung: Im 2009er Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP stand dieses Bekenntnis zur Autonomie des Sports noch ganz am Anfang der wenigen Ausführungen zum Sport. Damals hieß es:
Für das Selbstverständnis unserer Sportpolitik ist die Autonomie des Sports und seiner Verbände von zentraler Bedeutung. Wir wollen den Sport bei der Sicherung und Realisierung seiner Werte unterstützen.
Man darf also gespannt sein, wie und in welchem Ausmaß die Bundesregierung diese Koalitionsversprechen umsetzen und welche Auswirkungen das auf das Zusammenwirken von Sport und Staat haben wird.
Hier der Textauszug aus dem Koalitionsvertrag zum Sport.