Idealverein oder Kapitalgesellschaft? – Die Gretchenfrage des HSV

Die Mitglieder des Hamburger Sportvereins werden am Sonntag (19. Januar) über eine mögliche Reform des Clubs entscheiden. Im Zentrum der Abstimmung steht dabei die Frage, ob die Lizenzspielerabteilung der Profifußballer als Kapitalgesellschaft aus dem Stammverein ausgegliedert wird oder nicht. Doch welche Rechtsform braucht ein Proficlub überhaupt? Die drei wichtigsten Fragen.

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Warum werden Profiabteilungen überhaupt ausgeliedert?

Der Plan der Initative “HSVplus”, die Profifußballabteilung auszugliedern, ist zumindest nicht revolutionär. Zwölf der achtzehn aktuellen Bundelsligaclubs sind diesen Weg bereits gegangen. Anders war das noch zum Start der Fußballbundesliga 1963, als alle achtzehn Teams als Idealvereine im Sinne des § 21 BGB organisert waren und nicht in Kapitalgesellschaften Rechtsformen wie GmbH, AG oder GmbH und Co. KGaA. Das geht zurück auf die “rechtliche Grundidee” des Vereins, Sport in seiner ursprünglichen Form als zweckfreie körperliche Betätigung zu betrachten. Die Zweckfreiheit ist dabei Ausdruck der ideellen Ausrichtung des Sports, weshalb der eingetragene Verein (e.V.) wohl im Breitensportbereich für Vereine und Verbände noch immer die passgenaue Rechtsform darstellt.

Anders ist das im kommerzialisierten Sport. Hier überwiegen keineswegs mehr die ideellen Zwecke des Sports. Im Gegenteil: Im Profifußball-Geschäft ähneln heute die Clubs, was ihre Umsätze angeht, kleinen bis großen Industrie-Unternehmen. Deshalb streben die Vereine nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt und haben ein gesteigertes Interesse, sich für Investoren zu öffnen. Ein Ziel, das mit der Rechtsform des e.V. nicht erreichbar ist. Um dieser Entwicklung gerecht zu werden, hat sich der DFB bereits 1998 in seinem Regelwerk den immer größeren ökonomischen Herausforderungen geöffnet und gestattet seither auch aus dem Mutterverein ausgegliederten Lizenspielerabteilungen die Teilnahme am Spielbetrieb der Profiligen.

Warum gliedern nicht mehr Vereine ihre Profiabteilungen aus?

Finannziell kann man mit Hilfe einer Ausgliederung zumindest kurz- und mittelfristig Kapital beschaffen und so bei wirtschaftlich angeschlagenen Vereinen – wie aktuell dem HSV – den Schuldenabbau vorantreiben um wieder größere Handlungsspielräume zu ermöglichen. Neben den finanziellen tritt auch ein haftungsrechtlicher Aspekt. Während beim e.V. der gesamte Verein vollumfänglich für die Verbindlichkeiten der jeweiligen Abteilungen – entsprechend auch der z.T. risikoorientierten Profiabteilungen – einsteht, haftet die augegliederte Kapitalgesellchaft in beschränkbarer Weise selbst für ihre Verbindlichkeiten. Der Gesamtverein wird entlastet. Schließlich sind die Strukturen von Kapitalgesellschaften auf eine regelmäßige Teilnahme am Wirtschaftsleben ausgerichtet; die Struktur des e.V. jedoch orientiert sich an ideellen Werten. Klare Argumente pro Ausgliederung – könnte man meinen. Dennoch sind 54% der Vereine aus Liga 1-3 in Deutschland noch als eingetragenene Vereine organisiert. Es drängt sich daher die Frage auf, warum nicht mehr Vereine ihre Profiabteilungen ausgliedern?

Die Frage scheint auf den ersten Blick schnell beantwortet: Die betroffenen Clubs – in der Bundesliga sind das neben dem HSV noch der SC Freiburg, der FSV Mainz 05, der 1. FC Nürnberg, der FC Schalke o4 und der VfB Stuttgart – sind noch nicht so weit. Wie sonst ist es zu verstehen, dass man sich nicht für potentielle Kapitalgeber öffnet, professionellere Strukturen ermöglicht, den wirtschaftlichen Handlungsrahmen erweitert und damit insgesamt konkurrenzfähiger wird? Bei genauerem Hinsehen vertieft sich der Eindruck, allein die Begründung ist differenzierter.

Zum einen fürchten die Traditionalisten unter den Mitgliedern dieser Clubs wohl den eigenen Machtverlust. Während bei den Kapitalgesellschaftten Vorstand und Aufsichtsrat (AG) bzw. die Geschäftsführung (GmbH) den Ton angeben, haben bei den Vereinen immer noch die Mitglieder durch das Beschlussorgan des e.V., die Mitgliederversammlung eine gewichtige Stimme. Rechtlich ist das natürlich richtig, rein tatsächlich sind aber auch die betroffenen Vereine längst vorstands- bzw- managementgeführt. Eine unmittelbare Mitbestimmung gibt es nur noch bei grundsätzlichen Fragen – wie jetzt beim HSV.

Zudem fürchten sich die Mitglieder wohl auch vor windigen Investoren, die ihr Geld nur kurzfristig in den Verein pumpen, dann die Lust verlieren, den Rückzug antreten und den Verein mit den gestiegenen  Verbindlichkeiten im Stich zu lassen. Ähnliche Fälle sind zwar aus dem europäischen Ausland bekannt. In Deutschland ist das Risiko jedoch durch die nach wie vor umstrittene 50+1-Regel im Regelwerk des DFB, nach der mindestens 51% der Stimmrechte an den Kapitalgesellschaften beim Stammverein verbleiben, minimiert. Im Gegenteil: Die Beispiele der FC Bayern München AG, zu deren Anteilseignern u.a. Audi, die Telekom und adidas zählen oder der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, wo Präsident Martin Kind ein wirtschaftlich vielversprechend aber zugleich nachhaltiges Investorenmodell geschaffen hat, zeigen, dass diese Ängste wohl unbegündet sind.

Liegt bei den als Idealvereinen organisierten Clubs der Tatbestand der Rechtsformverfehlung vor?

Fernab der individuellen Entscheidung jedes Vereins, ob nun die Profiabteilung ausgegliedert wird oder nicht, stellt sich die Frage, warum es überhaupt möglich ist, dass die wirtschaftlich stark präsenten Clubs überhaupt noch als e.V. organisert sein dürfen. Denn die Lizenzspielerabteilungen der Profivereine mit ihren Umsätzen in Millionenhöhe sind als wirtschaftliche Geschäftsbetriebe einzustufen. Sie weisen die typischen Unternehmensmerkmale wie Unternehmerrisiko, Teilnahme am Markt sowie Unternehmerinitiative auf. Zwar verbietet die originär ideelle Ausrichtunng des e.V. diesem nicht zwangsläufig auch wirtschaftlich tätig zu werden. Allerdings muss im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit der ideelle Zweck überwiegen (sog. Nebenzweckprivileg). Das lässt sich bei der Bewirtschaftung eines Vereinslokals eines Sportverein begründen, bei einem Transfer von Rafael van der Vaart wohl nicht.

Insofern bewegen sich die traditionell organisierten Vereine auf dünnem juristischen Eis. Schließlich erfüllen sie den Tatbestand der sog. Rechtsformverfehlung. Quasi als Kapitalgesellschafts-Wolf im e.V.-Pelz. Dass dies nicht zu Konsequenzen führt und die betroffenen Vereine in der aktuellen Form fortbestehen können, verdanken sie lediglich der Passivität der Registergerichte, denen der Entzug der Rechtsfähigkeit gemäß § 43 Abs. 2 BGB bzw. die Löschung aus dem Vereinsregister obliegen würde.

Die Gefahr der Rechtsformverfehlung kann durch die Ausgliederung der Profiabteilung zwar eingedämmt werden, ganz auszuschließen ist sie jedoch nicht. Denn selbst wenn eine Ausgliederung der Profiabteilung in einem Tochterunternehmen durchgeführt worden ist, kann die wirtschaftliche Tätigkeit weiterhin dem Stammverein zuzurechnen sein. Nur wenn der Stammverein lediglich eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert hat und selbst keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb betreibt, wird ihm die wirtschaftiche Tätigkeit der Kapitalgesellschaft nicht zugerechnet.

 

 

 

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