Die Welt-Anti-Doping Agentur (WADA) hat auf ihrer Konferenz in Johannesburg einen neuen WADA-Code verabschiedet, der ab 2015 in Kraft tritt. Nach deutschem Recht ergeben sich an verschieden Stellen erhebliche Zweifel an der Rechtstaatlichkeit einiger neuer Regeln. Der Schuss könnte nach hinten los gehen. Die fünf wichtigsten Fragen.
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1. Wer oder was ist die WADA?
Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) ist eine unabhängige Stiftung schweizerischen Rechts, die 1999 auf Initiative des IOC gegründet wurde und inzwischen ihren Hauptsitz im kanadischen Montreal hat. Ihr primäres Ziel ist die weltweite Harmonisierung und Koordinierung von Programmen im Hinblick auf die Entdeckung, Abschreckung und Verhinderung von Doping.
2. Was ist der WADA-Code?
Der WADA-Code wurde von den teilnehmenden Regierungen und Vertretern der internationalen Fachsportverbände aus 80 Ländern im Rahmen der zweiten Welt-Anti-Doping-Konferenz 2003 in Kopenhagen unterzeichnet. Damit wurde durch die WADA ein überstaatlich anerkanntes Regelwerk verabschiedet, das einheitliche Standards, Instrumente, Methoden und Sanktionen bei der Dopingbekämpfung durchsetzen soll, um die fundamentalen Werte des Sports zu sichern. 2007 ist der WADA-Code erstmalig überarbeitet worden und trat als WADA-Code 2009 am 1.1.2009 in Kraft. Die jetzt verabschiedete Fassung wird ab 1.1.2015 gelten. Der WADA-Code definiert einen einheitlichen Dopingbegriff, normiert das verbandliche Dopingkontrollverfahren mit konkreten Kontroll- und Nachkontrollmöglichkeiten und Sanktionen. Zudem enthält er Vorschriften zum Rechtschutz. Ergänzt wird der Code durch eine Kommentierung sowie weiterführende Ausführungsbestimmungen, die sog. „International Standards“.
3. Ist der WADA-Code gegenüber Athleten verbindlich?
Der WADA-Code selbst ist weder Gesetz noch rechtsverbindliche Vorschrift, sondern ein allgemeiner Muster-Kodex. Er entfaltet weder gegenüber Mitgliedstaaten noch gegenüber Fachsportverbänden oder gar Athleten unmittelbare Wirkung. Allerdings hat eine Vielzahl von Einzelstaaten das UNESCO-Übereinkommen gegen Doping im Sport unterzeichnet, womit Teile der internationalen Anti-Doping-Regeln des WADA-Codes durch Übernahme in die UNESCO-Konvention völkerrechtlichen Status erlangen. Mit diesem Übereinkommen verpflichten sich die Vertragsstaaten demnach, die Grundsätze des Codes einzuhalten. Die Fachsportverbände wiederum haben den Code durch wörtliche Übernahme in die eigenen Satzungen und Ordnungen oder durch Einbeziehung unter Verweis auf die Wirksamkeit des Codes in die verbandsinternen Regelungen (sog. dynamische Verweisung) implementiert. Dadurch erlangt er auch gegenüber den jeweiligen Sportlern Verbindlichkeit, wobei unerheblich ist, ob das Verhältnis der Sportler zum Verband mitgliedschaftlich oder vertraglich (durch Lizenz- oder Arbeitsvertrag sowie Athletenvereinbarung) ausgestaltet ist.
4. Was ist neu am WADA-Code 2015?
Die WADA hat sich auf die Fahnen geschrieben, mit den neuen Regeln Dopern und ihren Hintermännern das Dopen zukünftig schwerer zu machen. Folgende wichtige Neuerungen sind enthalten:
- Vier Jahre Sperre: Für ernsthafte Doping-Erstvergehen wird die Sperre (bisher zwei Jahre) erhöht.
- Verjährungsfrist: Die Verjährungsfrist für Doping-Vergehen wird von acht auf zehn Jahre verlängert. Damit können eingefrorene Proben länger mit neuen Testverfahren noch einmal analysiert werden.
- Bestrafung der Helfer: Das Umfeld eines Athleten (Betreuer, Trainer, Manager, Masseure) kann künftig bei Verwicklung in Doping-Verstöße härter sanktioniert werden.
- Verkürzung des Zeitraums für Missed Tests: Reduzierung des Zeitraums, in dem drei meldepflichtige Kontrollversäumnisse (“Strike”) binnen 18 Monaten als Verstoß gegen die Anti-Doping-Bestimmungen geahndet werden von 18 auf zwölf Monate.
- Schutz minderjähriger Sportler: z.B. entfällt bei Urinkontrollen zukünftig die Sichtkontrolle, wenn ein Athlet noch nicht 16 Jahre alt ist.
Das Ansinnen der WADA ist zweifellos ein ambitioniertes Unterfangen bei einem Anti-Doping-Code, der weltweite Geltung hat. Bei aller Kritik am neuen WADA-Cose 2015 sollte man die Schwere dieser Aufgabe im Hinterkopf haben. Und dennoch: der neue Code verfehlt dieses Ziel bisweilen und wirkt an einigen Stellen unausgereift. Ein Beispiel ist die Reduzierung des Bemessungszeitraums bei den Missed Tests. Damit wird es den Athleten zukünftigt eher erleichtert als erschwert, nicht für eine Kontrolle zur Verfügung zu stehen und innerhalb der nun verkürzten Zeit lieber einen “Strike” zu riskieren als eine positive Probe.
5. Ist der Code mit staatlichem nationalen Recht vereinbar?
Hier liegt der Kernpunkt der Kritik. Es bestehem erhebliche Zweifel, ob eine Sanktionerung aufgrund des neuen Codes vor deutschen staatlichen Gerichten Bestand hätte. Denn: die Anhebung der Sperre für ernsthafte Doping-Erstvergehen von bisher zwei auf vier Jahre ist am Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Grundrechts auf Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs.1 GG zu messen. Bereits im Jahr 1996 entschied das OLG München im Fall der Sprinterin Katrin Krabbe, dass eine Sperre von vier Jahren in aller Regel das Ende der sportlichen Laufbahn bedeutet und bei einem Ersttäter unangemessen und unverhältnismäßig ist (Urt. v. 28.03.1996, Az. U (K) 3424/95). Erschwerdend kommt jetzt noch hinzu, dass der 2015er-Code als Neuerung ein absolutes Trainingsverbot während der Sperre vorsieht, sodass eine gerichtliche Beurteilung aufgrund der neuen Regelungen kaum anders ausfallen würde. Scheinbar konnte die NADA trotz der intensiven Zuarbeit und konkreter Änderungsvorschläge hier nichts bewegen.
Fazit
Was bleibt, ist die Tatsache, dass ein effektiverer Doping-Kampf auf verbandlicher Ebene in Deutschland aufgrund des neuen Codes wohl nicht zu erwarten ist. Und damit bleibt der Ruf nach einem staatlichen Anti-Doping-Gesetz, das neben die Bekämpfung des Dopings mit rein sportrechtlichen Mitteln tritt.