Reus, Metzelder, Holtby – die (medien)rechtliche Seite der Gerüchte

Seit dem 31. Januar ist das sog. Wintertransferfenster geschlossen. Marco Reus von Borussia Dortmund war dabei ein beliebtes Objekt für Wechsel-Gerüchte. Das gehört zum Geschäft, Spekulationen sind Teil des Transferwesens. In etablierten Fußballmedien und sozialen Netzwerken werden diese beinah in Echtzeit verbreitet. Doch welche medienrechtlichen Konsequenzen können sich aus schlechter oder falscher Berichterstattung ergeben? Die fünf wichtigsten Fragen.

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1. Was ist das „Wintertransferfenster“?

Während des sog. Wintertransferfensters können sich Clubs durch gezielte Verpflichtungen neuer Spieler verstärken, um Schwächen des Kaders auszugleichen, Verletzungen zu kompensieren oder hoffnungsvolle Talente vor dem regelmäßigen Ansturm im Sommer unter Vertrag zu nehmen. Allerdings ist das nicht während der gesamten Saison erlaubt.

Der Fußball-Weltverband FIFA legt im Regelwerk für den Status und den Transfer von Spielern  fest, dass es höchstens zwei Möglichkeiten während des Jahres gibt, den Verein zu wechseln (Regel 6 Abs. 1). Formaljuristisch werden die „Transferfenster“ in den FIFA-Regularien als Registrierungsperioden bezeichnet. Die FIFA gibt auch vor, dass eine Registrierungsperiode regelmäßig am Schluss der Spielzeit beginnt und im Normalfall vor Beginn der neuen Spielzeit endet. Diese, als Sommertransferfenster bekannte Registrierungsperiode ist auf zwölf Wochen beschränkt. Eine zweite Registrierungsperiode soll darüber hinaus im Normalfall in der Mitte der Spielzeit festgelegt und ist auf vier Wochen begrenzt (Regel 6 Abs. 2).

Die Entscheidung über den genauen Zeitraum liegt in der Verantwortung der einzelnen nationalen Verbände. Um einen möglichst reibungslosen Ablauf der Transfers zwischen verschiedenen Ligen zu ermöglichen, haben sich die meisten europäischen Ligen geeinigt, den Transferzeitraum auf die Zeit zwischen 1. Juli und 31. August sowie zwischen dem 1. und dem 31. Januar zu legen. Es gibt wenige Ausnahmen, z.B. die russische Liga, weil dort wegen des kontinentalen Klimas der Ligabetrieb zwischen März und November läuft.


2. Wer berichtet über mögliche Transfers?

In diesem Jahr geht der Trend in der Bundesliga weg von großen Deals im Winter – anders als in den anderen führenden europäischen Ligen England, Spanien und Italien. Dennoch ist das mediale Interesse an den Wintertransfers riesig. Beinahe jedes Sportmagazin betreibt mittlerweile einen Transferticker, über den die neuesten Entwicklungen des Transfermarkts mittgeteilt werden. Die Palette reicht von traditionell-sachlich (Kicker) bis unterhaltsam-ironisch (11Freunde). Und der Druck der Aktualität durch das Internet steigt. Zu den etablierten Sportmedien gesellen sich Formate wie das Portal transfermarkt.de oder die sozialen Netzwerke, auf denen Spieler, Insider und Außenstehende ihre Informationen oder Spekulationen zu möglichen Transfers posten können.

In der gerade abgelaufenen Transferperiode waren vor allem die Berichterstattungen über die kolportierten Wechsel von Marco Reus und Lewis Holtby aus medienrechtlicher Sicht von Interesse.


Der Fall Reus

Marco Reus von Borussia Dortmund tauchte dabei in zwei unterschiedlichen Kontexten auf. Zum einen soll der Dortmunder Offensivspieler angeblich einen Wechsel zu Bayern München für immer ausgeschlossen haben. Ein solches Zitat hatte ihm jedenfalls der englische „Mirror“ in den Mund gelegt, obwohl Reus eine solche Äußerung nicht getätigt hatte.

Wenige Tage später kursierte das Transfer-Gerücht durchs Internet, der FC Barcelona habe Interesse an Reus. Ein deutsches Online-Sport-Portal berichtete unter Berufung auf eine spanische Internetseite, Reus habe in einem Interview geäußert, dass er einen Wechsel zum Saisonende nicht ausschließe. Andere Medien verbreiteten die Nachricht weiter. Am Ende sah sich Borussia Dortmund veranlasst, via facebook eine Stellungnahme abzugeben und festzustellen, dass ein angebliches Zitat auf der spanischen Internetseite nicht zu finden sei. Zudem sparten die Dortmunder Verantwortlichen nicht mit Kritik gegenüber den Medien.

Borussia Dortmund ist ehrlich gesagt tief enttäuscht von der kleinen Minderheit an nationalen und internationalen Medien, die ihre seriös arbeitenden Kollegen in Verruf bringen und es aus Gründen, die wir nicht verstehen wollen und können, immer wieder schafft, mit unseriösem Gebaren Niederschlag in anderen Medien zu finden. Von der Internetseite bis zum TV-Sender, von der Radiostation, über die Nachrichtenagentur bis zur Tageszeitung.


Der Fall Metzelder/Holtby:

Auch Lewis Holtby von Tottenham Hotspurs war zwischenzeitlich Lieblingsobjekt der Wechselspekulationen. Kurzzeitig schien es so, als stelle sich eigentlich nur die Frage, ob er nach Dortmund bzw. Schalke wechselt. Am vorletzten Tag der Transferperiode wechselte Holtby dann tatsächlich – zum FC Fullham. Tags zuvor hatten die Spekulationen vor allem in den sozialen Netzwerken ihren Höhepunkt erreicht: Ex-Nationalspieler Christoph Metzelder kommentierte in einem sozialen Netzwerk wie folgt:

Offensichtlich ironisch war der Umgang von Dortmund-Trainer Jürgen Klopp  mit dem Thema:  “Lewis Holtby hab’ ich schonmal gehört”, gab er amüsiert zu Protokoll und fragte nach, ob das schon für eine Meldung reiche.


3. Welche journalistischen Sorgfaltsmaßstäbe sind bei der Berichterstattung aus der Gerüchteküche anzulegen?

Grundsätzlich sehr hohe. Das gilt auch und besonders für den Fall der Berichterstattung über Transfergerüchte. Die sog. journalistische Sorgfalt gebietet es, gründlich zu recherchieren und wahrheitsgemäß zu berichten. Das wird durch die Landespressegesetze der einzelnen Bundesländer vorgegeben. So regelt bspw. § 5 des ThürPresseG,  dass alle Nachrichten vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit, Inhalt und Herkunft geprüft werden müssen. Wird dies vernachlässigt und verbreitet ein Journalist in seinem Bericht unwahre Tatsachenbehauptungen, ist mit Klagen auf Gegendarstellung, Berichtigung, Unterlassung oder Schadensersatz zu rechnen.

Es gilt der sog. gleitende Sorgfaltsmaßstab: Je schwerwiegender eine Falschberichterstattung für den Betroffenen ist, desto höher sind die Anforderungen an die Recherche und die Überprüfung der Quellen zu stellen. Im Fall Reus muss man vor allem die Tatsache berücksichtigen, dass die Profiabteilung von Borussia Dortmund als Kommanditgesellschaft auf Aktien strukturiert ist und allein die Meldung über einen möglichen Transfer eines Führungsspielers zu Kursschwankungen führen kann.

Zu achten ist also vor allem auf den Wahrheitsgehalt und die Gründlichkeit der Recherche. Als wahr in diesem Zusammenhang können einzelne Journalisten oder Redaktionen alle Inhalte unterstellen, die aus seriösen Quellen stammen. Im Fall Reus bedeutet das, die spanische Quelle hätte auf ihre Seriosität hin geprüft werden müssen. Für die Gründlichkeit der Recherche ist ein redliches Bemühen um die Wahrheit ausreichend. Folgende Kriterien konkretisieren die Frage, ob ein redliches Bemühen vorlag:

  • Möglichkeit der Stellungnahme des Betroffenen, verbunden mit einer Frist, bis wann diese erbeten wird. Sie ist aus Beweisgründen unumgänglich, wenn lediglich eine Quelle vorliegt. Eine spätere Gegendarstellungsforderung des Betroffenen kann dadurch frühzeitig verhindert werden.
  • Prüfung der Informationen auf Zuverlässigkeit. Das gilt besonders für übernommene Meldungen aus anderen Medien. Denn jedes Medium haftet selbst für seine Berichterstattung, auch wenn sie übernommen ist.
  • Absicherung von Gerüchten. Besonders bei Gerüchten ist Vorsicht geboten. Aus Ziffer 2 des Pressekodexes des Deutschen Presserats ergibt sich, dass Gerüchte als solche erkennbar zu machen sind. Das befreit jedoch nicht von zusätzlicher Absicherung (etwa durch Stellungnahme oder weitere Quellen).

Diese Kriterien relativieren sich jedoch mit steigendem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Mit anderen Worten: Geht es um Personen oder Sachverhalte, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen, darf mehr spekuliert werden. Hier kann es ausnahmsweise ausreichen, wenn sich ein Journalist nur auf eine Quelle oder einen anonymen Informanten stützt. Bereits in den 1960er Jahren entschied der BGH hierzu, dass die Presse nicht nur solche persönlichkeitsrelevanten Informationen weitergeben darf, deren Wahrheitsgehalt unumstößlich feststeht und begründete das mit ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Aufgabe der öffentlichen Meinungsbildung (BGH NJW 1963, S. 904).

Anders liegt der Fall bei Falschzitaten, wie im Rahmen der Berichterstattung des „mirror“ über Reus. Hier ist die rechtliche Bewertung eindeutiger. Denn im Falschzitat liegt regelmäßig eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen. Dieser hat ein Recht auf korrekte Darstellung der eigenen Person in der Öffentlichkeit und genießt Schutz gegen Entstellung und Unterschieben von Äußerungen. Als Konsequenz drohen auch hier Klagen auf Gegendarstellung, Berichtigung, Unterlassung oder Schadensersatz.


4. Gelten die presserechtlichen Grundsätze der journalistischen Sorgfalt auch für Beiträge in Blogs, Microblogs und sozialen Netzwerken?

Anders gefragt: Hätte Christoph Metzelder mit seinem Post zur richtigen Abfahrt etwas vorsichtiger umgehen müssen? Wenngleich man ihn mit etwas Wohlwollen auch als satirische Bewertung des medialen Transferwahnsinns deuten kann, was auch Metzelders umgehende Reaktion auf die eigene Fehleinschätzung zeigt.

 

Die Antwort ist umstritten, da die verfassungsrechtliche Einordnung der elektronischen Presse generell unklar ist. Nach einer Auffassung unterfallen presseähnliche Telemedien wegen ihrer elektronischen Verbreitung der Rundfunkfreiheit. Die Gegenmeinung betont die Entwicklungsoffenheit des Pressebegriffs, die eine Einbeziehung von Online-Publikationen notwendig macht. Am überzeugendsten ist es aber, von einer übergreifenden Kommunikationsfreiheit auszugehen.

Einen einfachgesetzlichen Anhaltspunkt bietet  der Rundfunkstaatsvertrag. Gemäß § 54 Abs. 2 RStV gelten die Anforderungen an journalistische Sorgfalt auch für die Anbieter von Telemedien mit journalistisch-redaktionellem Angebot. Welche Angebote darunterfallen und welche nicht, ist nach wie vor nicht hinreichend geklärt.

Zumindest Blogs, die kontinuierlich aktualisiert werden und eine erkennbare publizistische Intention haben, dürften hierunter fallen. Es wird zudem vertreten, dass auch ein Mikroblog wie z.B. Twitter als journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot zu werten sein kann, etwa wenn er regelmäßig neue Kurznachrichten enthält, die inhaltlich über private Meinungsäußerungen hinausgehen. Keine journalistisch-redaktionellen Angebote dürften hingegen Forenbeiträge (wie z.B. auf transfermarkt.de) sein, da sie typischerweise den Charakter privater Meinungsäußerungen haben und zudem unregelmäßig und ungesteuert eingestellt werden. Bei sozialen Netzwerken ist zu differenzieren: Das Netzwerk als Ganzes dient vorrangig der Nutzerkommunikation und Eigenpräsentation ist damit kein journalistisch-redaktionell gestaltetes Angebot. Im Gegensatz hierzu kann eine eigene Nutzerpräsenz je nach Art der Gestaltung den Anforderungen des Rundfunkstaatsvertrags genügen und müsste die genannten journalistischen Sorgfaltsmaßstäbe entsprechend berücksichtigen.


Fazit

Die sportjournalistische Arbeit im Internet rund ums Thema Gerüchteküche findet nicht im rechtsfreien Raum statt. Zwar sind wegen des oft großen Informationsinteresses der Allgemeinheit z.T. geringere Anforderungen an die journalistische Sorgfalt zu stellen. Dennoch gilt: Trotz der Verlockungen, als einer der ersten über Entwicklungen auf dem Transfermarkt zu berichten, sollte die eigene gründliche Recherche nicht zu kurz kommen.


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  1. avatar

    “Es gibt wenige Ausnahmen, z.B. die russische Liga, weil dort wegen des kontinentalen Klimas der Ligabetrieb zwischen März und November läuft.”

    Die Russen haben zur jetzigen Saison 2013/14 nach einer überlangen Saison 2012-13 auf den üblichen Modus umgestellt, aber mit einer Winterpause von Dezember bis März.

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