Svendsen, Fourcade, die IBU-Regeln und eine Fußspitze

Gemeinsam mit dem Kollegen Rechtsanwalt André Stämmler hatte ich heute das Vergnügen, im Livestream das olympische 15km-Massenstartrennen der Biathlon-Herren zu verfolgen. Nachdem Erik Lesser sich nach dem zweiten Schießen aus der Führungsgruppe verabschiedet hatte, schien die Luft raus zu sein. Doch auf der Zielgerade stellte sich unerwartet eine sportrechtliche Herausforderung.

© Salome – Fotolia.com, mit Bearbeitung durch blog-sportrecht.de

Emil Hegle Svenden hatte im sog. Foto-Finish seinen Widersacher, den französichen Doppel-Olympiasieger Martin Fourcade geschlagen. Oder doch nicht? Mit bloßen Auge war das kaum zu erkennen. Kein Wunder also, dass auch die ZDF-Grafik zunächst keine eindeutige Platzierung, sondern das Kürzel PhotoFinish auswies. Doch schon recht schnell entschied man anhand des Fotobeweises, dass “Super-Svendsen” das Rennen gemacht hatte und Fourcade diesmal mit Rang zwei vorlieb nehmen musste. Sodann lieferte das ZDF auch im eigenen Twitter-Account das Beweisbild nach.

 

Recht eindeutig zu erkennen, wie ich finde. Doch die anschließende Frage musste ja kommen: Was ist denn nun ausschlaggebend, wer nach Auswertung des Zielfotos zum Sieger gekürt wird? Die Skispitze über der Ziellinie oder der Körper des Athleten? Die Antwort gibt Regel 9.2.6 der Wettkampf- und Veranstaltungsregeln der Internationalen Biathlon-Union (IBU). Darin heißt es:

Wird die Fotofinish-Aufnahme benötigt, um über die Reihenfolge des Zieleinlaufs zu entscheiden, bestimmt die Reihenfolge in der Fotofinish-Aufnahme die Platzierungen. Die Entscheidung wird auf Grundlage des ersten Teils des ersten Fußes, der die Ziellinie überquert, getroffen.

Der erste Teil des ersten Fußes also. Mit anderen Worten die Fußspitze entscheidet. Und was, wenn Fourcade mit dem Ergebnis nicht einverstanden gewesen wäre. Dann hätte er binnen 15 min nach Aushang des vorläufigen Ergebnisses hiergegen Protest einlegen müssen und hätte – weil ja Rahmen Olympischen Spiele sind – zudem die Möglichkeit gehabt, bei der Ad-hoc-Kammer des CAS mit einer Beschwerde gegen die Wettkampfentscheidung vorzugehen.

Doch der Franzose tat es nicht – anders als die schwedische Triathletin Lisa Nordin bei den letzten Sommerspielen in London 2012. Auch hier musste das Zielfoto her und die Entscheidung war denkbar knapp – allerdings änderte sich an der Bewertung, dass Nordins schweizer Kollegin Nicola Spririgden den oft zitierten Wimpernschlag vorn lag auch durch den Protest vor der Ad-hoc-Kammer nichts mehr.

Apropos Wimpernschlag: Anders als im Biathlon ist beim Triathlon-Foto-Finish maßgeblich, wer als erstes den Rumpf über die Zielline presst. Genauso wie in der Leichtathletik übrigens. Hier normiert Regel 165 Nr. 2 der IAAF- Wettkampfregeln, wer gewinnt, wenn es knapp wird:

Die Zeit wird bis zu dem Moment genommen, in dem der Läufer mit irgendeinem Teil des Körpers (d.h. mit dem Rumpf, nicht aber mit Kopf, Hals, Armen, Beinen, Händen oder Füßen) die senkrechte Ebene über dem startnäheren Rand der Ziellinie erreicht hat.

Auch in weiteren Sportarten kommt das Finisher-Bild bei strittigen Entscheidungen zum Einsatz, etwa im Radsport, beim Rudern oder Pferderennen.

Anders als im Fußball, wo die Einführung der Torlinientechnik (noch) keine Realität ist, hat sich der Einsatz technischer Hilfsmittel in diesen Sportarten bewährt. Der Spannung tut das im Übrigen keinen Abbruch. Das haben Fourcade und Svendsen eindrucksvoll bewiesen.

In diesem Sinne: Citius, altius, fortius!

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