Wenig championsleaguereif – die Debatte um die Dreifachbestrafung

Rote Karte, Elfmeter und eine Sperre für den Übeltäter – die sog. “Dreifachbestrafung” hat in dieser Woche wieder mal für Aufregung gesorgt. Die Stimmen, die nach einer Regeländerung rufen, werden lauter. Im ersten Moment scheint man ihnen aus Fairnessgesichtspunkten beipflichten zu wollen, doch ein vertiefter Blick zeigt: die Regeln sind (sport-)juristisch nicht zu beanstanden.

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Am Dienstagabend foulte ManCity-Verteidiger Martin Demichelis im Strafraum und flog vom Platz. Barca ging durch den fälligen Strafstoß in Führung und gewann in Überzahl am Ende 2:0. Am Mittwochabend holte Arsenal-Keeper Wojcech Szczesny den Münchner Arjen Robben im Sechzehner von den Beinen – die Folge auch hier: Elfer, Rot und wahrscheinlich eine Sperre gegen den polnischen Nationalkeeper. Die “Dreifachbestrafung” ist in der Champions-League angekommen und möglichwerweise hätten die Achtelfinal-Rückspiele ohne die restriktiven Regelungen mehr Spannung zu bieten als das nach den klaren Auswärtssiegen in dieser Woche zu befürchten ist.

Anhaltende Diskussionen über Regeländerung

Die Debatte um eine mögliche Regeländerung hat damit neue Nahrung, wenngleich schon länger über eine Abschaffung der “Dreifachbestrafung” debatiert wird. Bereits Anfang des Jahres flammte die Diskussion kurz durch eine Meldung auf, die UEFA plane, die Regel zu kippen.

Doch das Dementi folgte umgehend. Nichtsdestotrotz empfinden Spieler, Funktionäre und sogar altgediente Schiedsrichter die bestehenden Regeln in diesem Zusammenhang als zu hart und fordern ein Überdenken durch die Regelhüter. Mit dem Bayern-Triumpherat Neuer, Hoeneß und Beckenbauer haben in dieser Woche selbst kurzzeitige Profiteure ihre Stimme gegen die  “Dreifachbestrafung” erhoben. Hoeneß etwa plädierte für eine Neuregelung:

Die Regel sagt, Verhinderung einer Torchance heißt Elfmeter und Rot. Die Regel kann man ändern, da wäre ich dafür.

Strafe ist nicht gleich “Strafe”

Das könnte ein schwieriges Unterfangen werden, denn die Argumente sind wenig championsleaguereif. Probleme bereitet schon der Begriff “Dreifachbestrafung”. Bereits im Januar meldete Jan F. Orth erhebliche Bedenken hinsichtlich der juristischen Präzision an und monierte zu Recht:

Schon die Begrifflichkeit vernebelt und hat etwas von populistischer Unschärfe.

In der Sache ist dem in vollem Umfang zuszustimmen. Denn aus sportrechtlicher Sicht sind die drei möglichen Konsequenzen für das Verhindern einer eindeutigen Torchance im eigenen Sechzehnmeterraum nicht als “Strafen” zu interpretieren. Unpräszise und falsch ist bereits, die in der Diskussion stehenden Maßnahmen begrifflich mit der staatlichen Strafe auf eine Stufe zu stellen. Denn das staatliche Strafrecht ist ein Teilgebiet des öffentlichen Rechts, dient dem Zweck des Rechtsgüterschutzes für schuldhaft begangenen Unrecht und sieht entsprechende staatliche Sanktionen vor. Sportrechtliche “Bestrafungen” sind dagegen im Rahmen der Sanktions- und Ahndungsregeln der Sportverbände auszusprechen. Sie sind  privatrechtlich ausgestaltet und bezwecken die Aufrechterhaltung von Fair Play sowie die Durchsetzung von Regeln im Sport inner- und außerhalb des Wettkampfs durch Verbände bzw. Verbandsgerichtsbarkeit.

Geahndet wird also ein Vergehen im Wettkampfgeschehen durch den Schiedsrichter beim Verstoß gegen Spielregeln oder  Spielordnungen; die Wirkung geht nicht über das Wettkampfgeschen hinaus. So ist in Regel 12 der FIFA-Spielregeln für die Saison 2013/14 normiert, wie bei einer “Notbremse” zu reagieren ist:

Das Verhindern eines Tores oder das Vereiteln einer offensichtlichen Torchance des gegnerischen Teams wird mit einem Feldverweis bestraft. Dabei ist unerheblich, ob das Vergehen im Strafraum erfolgte oder nicht.

Regel 14 beschreibt, wann der Schiedsrichter auf den Punkt zeigen muss:

Begeht ein Spieler bei laufendem Spiel eines der zehn Vergehen, die mit direktem Freistoss zu bestrafen sind, innerhalb des eigenen Strafraums, wird gegen das Team des fehlbaren Spielers ein Strafstoss ausgesprochen.

Zu den Vergehen, die wiederum in Regel 10 festgehalten sind, zählen u.a. das Treten und Beinstellen eines Gegners oder der Versuch hierzu.

Sanktioniert wird hingegen als Folge eines Verstoßes gegen die Spielregeln; die Wirkung geht dabei über das bloße Wettkampfgeschehen hinaus. Etwa wenn eine Sperre gegen einen Spieler aufgrund einer roten Karte verhängt werden soll. Dies ergeht aufgrund des Sanktionsregeln des zuständigen Verbands, für die Champions-Legue also durch die UEFA. So bestimmt Regel 10 der UEFA Rechtspflegeordnung die Konsequenzen für Unkorrektes Verhalten von Spielern:

Bei Wettbewerbsspielen gelten für Spieler folgende Strafen: a) Sperre für ein Wettbewerbsspiel oder für bestimmte Zeit bei […] 5) unsportlichem Verhalten […]

Gute Regeln, die situationsbedingt kumulieren

Doch nicht nur begrifflich läuft die Debatte ins Leere. Auch sonst kann aus sportrechtlicher Sicht nicht von einer Ungerechtigkeit im Sinne einer dreifachen Bestrafung ausgegangen werden. Das genau dieser Fall eintritt, ist nämlich lediglich die Folge der Kumulation der betreffenden Spielregelverstöße in der konkreten Situation. Einzeln betrachtet erfolgt eine Ahndung bzw. Sanktionierung der einzelnen Maßnahmen in konsequenter Anwendung der Regeln einzelner Verbände.  Regeln im Übrigen, die unterschiedliche Zielreichtungen verfolgen: Der Platzverweis ahndet unsportliches Verhalten eines einzelnen Spielers aufgrund der FIFA-Regeln; der Elfmeter stellt einen Verstoß gegen die Spielregeln dar, der den Spielfluss unterbricht und nur durch den Ort des Begehens zu einer anderen Bewertung als der Freistoss führt. Die persönliche Sperre des Spielers ergeht hingegen als Sanktion auf Grundlage der Regelungen des den jeweiligen Wettbewerbs verantwortenden Verbands.

Das bedeutet: Probleme sind nur zu befürchten, wenn man eine Regelanpassung vornehmen würde! Beispielsweise durch Einführung eines Ausnahmetatbestand für die “Notbremse” im Strafraum (mit der Folge: entweder kein Elfmeter oder keine rote Karte). Dann käme es zu widersprüchlichen Regeln. Denn wie wäre zu begründen, das das Verhindern eines Tores oder das Vereiteln einer offensichtlichen Torchance, ausserhalb des 16ers zum Platzverweis führt, innerhalb der Strafraums jedoch nur zur gelben Karte? Oder welches Spielelement sollte eingeführt werden, um die Wirkung eines Elfmeters bei Treten und Beinstellen eines Gegners innerhalb des Strafraums anders zu bewerten? Etwa ein technisches Tor wie im Eishockey? Schwer vorstellbar und kaum wünschenswert!

Kein Regelungsbedarf

Damit bleibt eine Erkenntnis: Die Kumulation mehrerer Sanktionen und Ahndungen auf der Grundlage verbandlicher Regeln kann im Einzelfall hart sein und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass hierdurch Fußballspiele entscheiden werden. Allen Forderungen nach einer Regelanpassung fehlt es allerdings an konkreten Vorschlägen. Das mag auch der Grund sein, weshalb die Regelhüter der FIFA, das sog. International Football Association Board (IFAB) keinen Regeglungsbedarf erkennen. Allen Unkenrufen zum trotz, fehlt auf der Tagesordnung der 128. IFAB-Jahresversammlung, die am 1. März in Zürich stattfinden wird, ein entsprechender Tagesordnungspunkt.

 

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