Was Luis Suarez rechtlich zu befürchten hat

Luis Suarez hat vermeintlich zugebissen. Mal wieder. Damit dürfte die WM für ihn gelaufen sein. Möglicherweise drohen ihm aber auch weiter reichende rechtliche Konsequenzen.

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Warum dürfte die FIFA Suarez nachträglich sperren?

Die FIFA-Disziplinarkommission hat Ermittlungen im Fall der vermeintlichen Beißattacke aufgenommen. Eine entsprechende Kompetenz ergibt sich aus Artikel 77 a des FIFA-Disziplinarreglements. Danach ist die Disziplinarkommission zuständig für die Ahndung schwerer Vergehen, die vom Spieloffiziellen nicht bemerkt wurden. Die Nachprüfung ist also nur deswegen möglich, weil der Schiedsrichter bzw. sein Team die Szene nicht gesehen und nicht spielrechtlich bewertet und entsprechend auch keinen Hinweis oder Vermerk im offiziellen Spielbericht hierzu aufgenommen haben. Wäre das der Fall gewesen, läge eine Tatsachenentscheidung des Schiedsrichters vor, die gemäß Regel 5 Abs. 2 der allgemeinen FIFA-Fußball-Spielregeln endgültig, also auch nicht überprüfbar ist.

 

Wer entscheidet über die Suarez-Sperre?

Die Disziplinarkommission der FIFA. Diese besteht aus 19 Mitglieder; den Vorsitz hat der ehemalige Schweizer Nationalspieler und heutige Rechtsanwalt Claudio Sulzer. Die Kommission kann entscheiden, wenn mindestens drei Mitglieder zusammen kommen. In Einzelfällen und bis zu einem Sanktionshöchstmaß von bis zu drei Spielen oder höchstens zwei Monaten kann der Vorsitzende auch allein entscheiden. Im Fall Suarez ist davon auszugehen, dass es zu einer “kleinen Lösung” kommt. Andernfalls wäre es wohl auch nicht möglich, eine Entscheidung bis zum nächsten Spiel der Uruguayer am Samstag gegen Kolumbien zu treffen.

Bei der Entscheidungsfindung finden Beweismittel jeder Art Berücksichtigung, insbesondere sind die Berichte des Schiedsrichters, der Schiedsrichterassistenten, des Spielkommissars und des Schiedsrichterinspekteurs sowie die Aussagen der Parteien und der Zeugen, materielle Beweisstücke, Gutachten sowie Ton- und Bildaufzeichnungen zugelassen, Artikel 96 FIFA-Disziplinarreglement.

 

Welche Sperre droht Suarez?

Sofern es der Kommission gelingt, den Biss Suarez` in Chielinis Schulter nachzuweisen, liegt ein Verstoß gegen Artikel 48. 1 d) des Disziplinarcodes vor. Das Sanktionsmaß bei einer solchen Tätlichkeit gegenüber Gegenspielern oder anderen Personen als Spieloffiziellen beträgt mindestens zwei Spiele, ist aber noch oben hin offen. Die Höchstgrenze liegt gemäß Artikel 19.3 FIFA-Reglement bei 24 Spielen oder 24 Monaten. Das Sanktionsmaß bewegt sich also in diesem weiten Rahmen und liegt allein im Ermessen der Kommission. Dabei darf die Kommission zumindest nicht unmittelbar berücksichtigen, dass Suarez bereits in anderen Wettbewerben zugebissen hat. Das Disziplinarreglement sieht zwar in Artikel 40.1 vor, die Sanktion im Wiederholungsfall angemessen zu erhöhen.

Allerdings gilt das Reglement seinem Anwendungsbereich gemäß Artikel 2 nach nur für alle von der FIFA organisierten Spiele und Wettbewerbe. Die zurückliegenden Beißattacken von Suarez fanden jedoch im Ligabetrieb in Holland bzw. England statt und waren damit keine FIFA-Spiele. Dennoch wird das Vorverhalten des Uruguayaners Berücksichtigung bei der Bewertung finden. Ähnlich einem Strafrichter erfolgt im Rahmen einer Zumessung der Sanktion eine Gesamtwürdigung der Umstände, bei der bereits dokumentierte Verfehlungen mit einbezogen werden können. In diesem Zusammenhang darf die Kommission auch die rassistischen Äußerungen gegenüber Patrice Evra berücksichtigen, für die Suarez 2011 bereits für acht Spiele gesperrt worden ist.

Auf welche Wettbewerbe könnte sich eine Sperre erstrecken?

Eine mögliche Sperre kann sich im Übrigen sowohl ausschließlich auf gleichgelagerte Spiele (also FIFA-Pflichtspiele) als auch auf Liga-Spiele bzw. Champions-League-Spiele erstrecken. Das folgt aus dem Umkehrschluss aus Artikel 39.2, wonach der Geltungsbereich einer Sanktion auf eine geografische Region oder eine bestimmte Kategorie/bestimmte Kategorien von Spielen oder Wettbewerben begrenzt werden kann. Das heißt, Suarez könnte durch die Kommission auch für die Premier-League gesperrt werden. Allerdings erfordert das die Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, da etwa bei einer zweijährigen Sperre europäische Grundfreiheiten berührt sein könnten.

 

Kann Suarez kurzfristig gegen eine belastende Entscheidung vorgehen?

Ja. Es gibt zunächst eine Einspruchsmöglichkeit, über die von der Berufsungskommission zu entscheiden ist. Diese Entscheidung kann dann durch die Ad-hoc Kammer des Internationalen Sportgerichtshofs CAS nochmals zügig und letztinstanzlich überprüft werden. Die Kammer wird wie bei den Olympischen Spielen auch bei Fußballweltmeisterschaften vor Ort eingerichtet. Sofern die Sperre jedoch geringer als drei Spielen oder zwei Monate ausfallen sollte, besteht laut Artikel 118 c des FIFA-Disziplinarreglements keine Einspruchsmöglichkeit.

 

Welche sonstigen rechtlichen Konsequenzen drohen?

Neben diesen rein verbandsrechtlichen Sanktionen könnten Suarez auch zivilrechtliche bzw. strafrechtliche Konsequenzen drohen. Ersteres erfordert natürlich einen Schaden auf der Seite des Geschädigten. Dabei können- zumindest nach deutschem Recht – jedoch auch immaterielle Schäden Berücksichtigung finden. Zudem sind auch strafrechtliche Folgen denkbar. Dies bemisst sich dann jedoch nach brasilianischem Strafrecht. Jedenfalls herrscht auch auf dem Fußballfeld, anders als es Suarez in einem ersten Interview bemerkt hat, kein rechtsfreier Raum.

Zivil- und strafrechtliche Konsequenzen im sportlichen Wettkampf sind zumindest dann möglich, wenn es zu sportartuntypischen Regelüberschreitungen kommt. Und das ist bei einem Biss im Fußball eindeutig gegeben. Nicht einmal Kampfsportarten wie Boxen oder sogar MMA sehen ein entsprechendes Verhalten von ihren Regeln gedeckt.

Daneben könnte Suarez auch der Rückzug seiner Sponsoren drohen, sofern die Verträge Kündigungsrechte für ein Fehlverhalten vorsehen, wovon man üblicherweise ausgehen kann. Nach Informationen der Financial Times sollen Adidas und 888Poker bereits eine entsprechende Prüfung veranlasst haben.

 

 

 

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

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    Nach einem Guardian-Bericht bestreitet Suarez seine Absicht zu beißen: “Im Moment des Aufpralls habe ich die Kontrolle verloren, wurde instabil und bin auf meinen Gegner gefallen. Als mein Gesicht den Spieler traf, bekam ich eine kleine Prellung an der Wange und spürte starken Schmerz an meinen Zähnen”,- berichtete Suarez über den Vorfall mit dem italienischen Verteidiger Giorgio Chiellini.

    Uruguays Verband sei der Meinung, die auf den TV-Bildern klar erkennbaren Bissspuren auf Chiellinis Schulter seien durch den Einsatz von Photoshop zusätzlich verstärkt worden, um den Fall zu dramatisieren.

    Man darf gespannt bleiben…

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