Vereiste Pisten sollte Felix Neureuther doch gewöhnt sein – so könnte die hämische Bewertung dessen klingen, was der deutschen olympischen Slalomhoffnung heute Morgen widerfahren ist. Über die Medien war zu vernehmen, dass der 29jährige Schweinsteiger-Kumpel auf dem Weg zum Abflug nach Sotschi am Münchner Flughafen auf der A95 bei Starnberg ins Schleudern gekommen sei und dabei eine Leitplanke beschädigt haben soll.
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Dumm gelaufen – immerhin verpasste Neureuther wohl deswegen seinen Flieger gen Russland. Noch blöder: Neureuther verließ die Unfallstelle wohl ohne auf die Polizei zu warten. “Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Fahrerflucht gegen Ski-Star Neureuther” war die entsprechende Nachricht, die dann gegen Mittag über den Ticker lief.
Doch heißt es für Deutschlands größte männliche Alpin-Hoffnung damit nun etwa Anklagebank statt Medal-Plaza? Das Strafgesetzbuch beinhaltet den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (So heißt es richtig! Bitte merken liebe Medienvertreter! Keine Fahrerflucht oder Unfallflucht oder wie auch immer…). Hiernach wird ein Unfallbeteiligter bestraft, der sich nach einem Unfall im Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er
- zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht hat (§ 142 Abs. 1 Nr. 1) oder
- eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen.
Blitzeis – Leitplanke – Sotschi
Da liegt das Problem für Neureuther: Nach den aus der Presse zu erfahrenen Schilderungen gab es Blitzeis, Neureuther krachte in die Leitplanke, schüttelte sich kurz und fuhr selber weiter, schließlich wollte er ja sein Flugzeug nach Sotschi nicht verpassen. Fest steht zudem wohl, dass Neureuthers Beifahrerin und Freundin, die Biathletin Miriam Gössner die Polizei verständigte, um das Missgeschick anzuzeigen. Unklar ist dabei jedoch, wann dieser Anruf erfolgte.
Ohne näherer Kenntnisse über diese und weitere Details vom Unfallhergang und dem sich anschließenden Geschehen zu haben, könnte es aus strafrechtlicher Sicht dann für Neureuther brenzlich werden, wenn er tatsächlich schnell weiter gefahren ist und der Anruf erst im Nachgang erfolgte.
Dann hätte er wohl gegen die von § 142 StGB normierte Wartepflicht verstoßen. Die dauert so lange an, wie Feststellungen über die Person, das Fahrzeug und die Art der Beteiligung angezeigt und nach dem Willen feststellungsbereiter Personen – in diesem Fall also der Polizei – noch zu treffen sind. Solche Feststellungen können sich auf den gesamten tatsächlichen Unfallablauf erstrecken, jedoch nicht lediglich auf die Klärung rechtlicher Folgerungen aus dem Sachverhalt. Dabei ist erforderlich, dass ein Aufklärungsinteresse besteht. Davon ist hier auszugehen, allein die Aussage der Beteiligten, es habe plötzliches Blitzeis gegeben, reicht nämlich nicht aus.
Olympia als Berechtigung fürs Nicht-Abwarten?
In ähnlichen Fällen ist gerichtlich geklärt worden, was ein Abwarten nicht ersetzt: etwas das Zurücklassen einer Visitenkarte, der Hinweis auf das polizeiliche Kennzeichen oder ein pauschales Schuldanerkenntnis. § 142 Abs. 2 räumt zwar die Möglichkeit eines berechtigten bzw. entschuldigten Nicht-Abwartens ein. Nach Auffassung der Rechtsprechung bedarf es dafür aber einer rechtfertigenden Notlage nach §§ 32, 34 StGB. Der anstehende Flug eines Medaillenkandidaten zu den Olympischen Spielen dürfte nicht hierunter zu subsumieren sein. Wenngleich Neureuthers Vater Christian da anderer Auffassung ist und betonte, dass sein Sohn auf dem Weg zum Olympia-Flieger nicht auf die Polizei habe warten können, sei verständlich.
Bleibt die Frage, wo das Problem liegt, wenn doch – außer Neureuther – niemand zu Schaden gekommen ist. Hier gilt im Rahmen des § 142 StGB: Vor möglicher Strafe schützt nicht, dass kein (Fremd)-Personenschaden entstanden ist. Denn die Norm erfasst von ihrem Schutzzweck als sog. abstraktes Vermögensgefährdungsdelikt auch Sachschäden, etwa so wie eine deformierte Leitplanke.
In dubio pro Olympiasieger!
Fazit: Die Ermittlungen laufen wohl zu recht und man muss das Ergebnis zu den genauen Umständen an diesem Februarmorgen abwarten. Dass es zu einem Urteilsspruch wie in der Überschrift kommt, ist dennoch eher unwahrscheinlich. Vielleicht gibt es eher die Entscheidung “in dubio pro Olympiasieger”. Darauf lässt zumindest die Aussage eines Polizeisprechers aus München schließen. Wie der Spiegel berichtet, äußerte sich dieser wie folgt:
“Es gibt zwar eine gesetzliche Wartepflicht. Diese tendiert aber gegen Null, wenn nur eine Leitplanke beschädigt wurde. Die Polizei wünscht Herrn Neureuther alles Gute in Sotschi.”
Auch blog-sportrecht.de wünscht viel Erfolg!
Quelle: spiegel.de
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